Seit zwei Jahren in Kraft: Bilanz zu den Auswirkungen des Erlasses vom 6. August 2021
Am 1. Februar 2022 trat der neue Ministerialerlass, der den Betrieb des Flughafens Basel-Mulhouse regelt, in Kraft. Die beiden neuen Massnahmen, welche die bereits bestehenden Betriebsbeschränkungen ergänzen, sind folgende:
- Das Verbot geplanter Starts von 23 Uhr bis 24 Uhr
- Das Verbot geplanter Starts und Landungen besonders lauter Flugzeuge (Kapitel-3-Flugzeuge mit einer Lärmmarge unter 13 EPNdB - Effective Perceived Noise Decibel) während der Nachtstunden zwischen 22 Uhr und 24 Uhr sowie zwischen 05 Uhr und 06 Uhr.
Das Ziel dieser neuen Massnahmen war eine nachhaltige und deutliche Lärmminderung nach 23 Uhr im Norden und Süden des Flughafens sowie ein wesentlicher Rückgang der Flugbewegungen während der zweiten Nachtstunde.
Gemäss dem Erlass über Betriebsbeschränkungen sind verspätete Starts nach 23 Uhr nur im Falle von Verspätungen zulässig, die nicht vom Luftfahrtunternehmen selbst verschuldet wurden. Die Entscheidung der zuständigen Behörde über die Rechtmässigkeit verspäteter Starts wird jedoch erst im Nachhinein getroffen. Aufgrund dieses Umsetzungsmodus’ wurde bereits vor Inkrafttreten des neuen Erlasses erkannt, dass das Erreichen der Ziele zur Reduktion der Flugbewegungen nach 23 Uhr verspätet eintreten und erst nach einer Übergangsphase festgestellt würde.
Nach mehr als zwei Jahren seit Inkrafttreten des Betriebserlasses wird hier eine Bilanz der neuen Massnahmen gezogen und die Schritte aufgezeigt, die zur Erreichung der festgelegten Ziele noch umzusetzen sind.
Entwicklung der Anzahl Starts nach 23 Uhr
Im Jahr 2023 fanden 148 Starts nach 23 Uhr statt, verglichen mit 1 100 Starts in den Jahren vor der Covid-19-Pandemie. Dies entspricht einer Verringerung um 85%, die sich zum Jahresbeginn 2024 noch stärker abzeichnete mit einem Rückgang um weitere 65%, der für das erste Quartal 2024 im Vergleich zum ersten Quartal 2023 verzeichnet wurde. Zu beachten ist, dass die gesetzlich festgelegte Referenzstartzeit der Zeitpunkt ist, an dem ein Luftfahrzeug seine Parkposition zum Starten verlässt («Blockzeit»), jedoch nicht der Zeitpunkt des Abhebens von der Piste. Die nachfolgende Grafik zeigt die Entwicklung der Anzahl von Starts nach 23 Uhr während der letzten 15 Jahre und den Rückgang der Flugbewegungen während der Covid-19-Pandemie sowie nach Inkrafttreten des neuen Betriebserlasses.
Nach Verlassen seiner Parkposition rollt ein Luftfahrzeug zur Pistenschwelle zur Durchführung des Startvorgangs. So können zwischen der sogenannten «Blockzeit» und dem Moment des Abhebens der Maschine von der Piste bis zu 20 Minuten vergehen. Luftfahrzeuge, die ihre Parkposition kurz vor 23 Uhr verlassen, heben erst nach 23 Uhr von der Piste ab, und dies unter Einhaltung der mit dem neuen Erlass eingeführten, zeitlichen Betriebseinschränkungen. Die Auswirkungen dieser Starts auf die an den Flughafen angrenzenden Gemeinden sind daher nach 23 Uhr wahrnehmbar.
Im Jahr 2023 verzeichnete der Flughafen 780 Starts nach 23 Uhr, wenn man als Referenzstartzeitpunkt das Abheben des Luftfahrzeugs von der Piste wählt. Dies stellt einen Rückgang um 50% gegenüber den Jahren vor der Covid-19-Pandemie und einen Rückgang um 25% im Vergleich zum ersten Jahr nach der Umsetzung des Betriebserlasses dar. 84% dieser Starts wurden im Jahr 2023 während der ersten 20 Minuten nach 23 Uhr (23 Uhr – 23.20 Uhr) durchgeführt. Der Rückgang der nach 23 Uhr durchgeführten Starts setzte sich auch während des ersten Quartals 2024 fort, mit einem Rückgang von mehr als 45% im Vergleich zum jeweils ersten Quartal der beiden Vorjahre. Wie die folgende Grafik zeigt, ermöglichte der neue Betriebserlass eine Rückkehr zur Anzahl von nach 23 Uhr durchgeführten Starts, wie sie etwa in den Jahren 2008 und 2009 verzeichnet wurden (jeweils 727 und 709 Starts).
Bezieht man auch die Landungen mit ein, so liegt der 2023 verzeichnete Flugverkehr mit rund 2 300 Flugbewegungen nach 23 Uhr in etwa auf dem Niveau des Jahres 2017, gegenüber rund 2 550 Bewegungen im Jahr 2019 (-10%). Der infolge des Inkrafttretens des neuen Betriebserlasses verzeichnete Rückgang von Starts wird durch einen starken Anstieg der Landungen ausgeglichen (+45% zwischen 2019 und 2023).
Entwicklung des gemessenen Lärmpegels nach 23 Uhr
Die Lärmmessstation des Flughafens, die sich in Allschwil befindet, wird bei allen Startvorgängen in südlicher Richtung sowie Landungen aus dem Süden überflogen. Ihr Standort ist daher besonders geeignet, um Rückschlüsse auf die Lärmentwicklung im Süden des Flughafens zu ziehen. Zudem reicht die Aufzeichnungshistorie dieser Messstation mehr als 20 Jahre zurück. Der Rückgang der gemessenen Lärmpegel wird erst ab dem Jahr 2023 wahrnehmbar, mit einem gegenüber 2019 um 1,1 dBA geringeren Messwert. Tatsächlich lag der 2022 gemessene Lärmpegel sogar um 0,5 dBA höher als jener von 2019.
Diese Ergebnisse sind kontra-intuitiv, wenn man sie mit der seit 2022 beobachteten deutlichen Reduktion der Abflüge nach 23 Uhr vergleicht. Sie können jedoch durch operative Faktoren erklärt werden: So hatte die Einführung neuer Abflugbeschränkungen ungewollte Auswirkungen auf die Verteilung von Startvorgängen in Richtung Süden und Norden während der ersten beiden Nachtstunden. Eine Konzentration des Flugverkehrs wurde gegen 23 Uhr festgestellt (erhöhte Anzahl von Starts kurz vor 23 Uhr, und parallel dazu eine ebenso erhöhte Zahl von Landungen), was zu einer höheren Anzahl von Starts in Richtung Süden während der ersten und zweiten Nachtstunde führte. (Für Starts nach 22 Uhr wird die Piste 33 (Startrichtung Nord) genutzt, insofern dies die Betriebsbedingungen zulassen. Wenn jedoch zahlreiche Landevorgänge aus dem Norden während desselben Zeitraums erfolgen, müssen die Starts aus Sicherheitsgründen (Separation des Flugverkehrs) in Richtung Süden durchgeführt werden. Der Anteil der IFR-Flüge ab Piste 15 (in Richtung Süden) für Starts am späten Abend (nach 22:45 Uhr) ist von 50% im Jahr 2019 auf 63% (2022) und 75% (2023) gestiegen.
In diesem Zusammenhang hat sich die Situation im Norden des Flughafens auf umgekehrte Weise verändert: Hier kam es seit 2022 nach 23 Uhr es zu einer merklichen Lärmminderung. Dies wird anhand der in Bartenheim befindlichen Lärmmessstation deutlich. Diese zeichnet Überflüge auf, die in Richtung Norden erfolgen, Landungen aus nördlicher Richtung sowie bestimmte Starts in südlicher Richtung, welche der Abflugroute ELBEG folgen. Der gemessene gesunkene Lärmpegel beträgt im Vergleich zu 2019 -3 dBA für das Jahr 2022 und -6 dBA für 2023.
Auswirkungen der neuen Abflugbeschränkungen auf die erste Nachtstunde (22-23 Uhr)
Infolge des Inkrafttretens des neuen Betriebserlasses wurde zunächst ein Anstieg der Lärmbelastung zwischen 22 Uhr und 23 Uhr befürchtet aufgrund der in die erste Nachtstunde vorgezogenen, vormals für nach 23 Uhr geplanten Starts.
Die Entwicklung der seit dem Jahr 2022 im Zeitraum von 22 Uhr bis 23 Uhr aufgezeichneten Flugbewegungen zeigt, dass es nicht zu den befürchteten negativen Auswirkungen der neuen Betriebsbeschränkungen auf die Lärmsituation vor 23 Uhr kam. Tatsächlich ist die Anzahl der Starts seit 2022 in etwa gleichgeblieben wie in den Jahren 2018 und 2019 mit rund 1 800 verzeichneten Starts während der ersten Nachtstunde. Während desselben Zeitraums liegt die Zahl der Landungen deutlich unter den vor der Covid-19-Pandemie verzeichneten Zahlen (-37% im Jahr 2023 gegenüber 2019).
An den Lärmmessstationen Allschwil und Bartenheim, die sich südlich bzw. nördlich des Flughafens befinden, wurde 2023 im Vergleich zu 2019 ein etwas niedrigerer Lärmpegel gemessen (-1,2 dBA in Allschwil und -1,1 dBA in Bartenheim). Die Umsetzung der neuen Abflugbeschränkungen hat die Lärmsituation in der Zeitspanne von 22 Uhr bis 23 Uhr demnach nicht verschlechtert. Im Gegenteil wurde eine leichte Verbesserung verzeichnet. Das Verbot von Starts und Landungen besonders lauter Flugzeuge ab 22 Uhr hat zu dieser Verbesserung beigetragen. So mussten mehrere Luftfahrtunternehmen von der Nutzung von Maschinen absehen, , welche die neuen Standards im Bereich der Lärmeffizienz während der Nachtstunden nicht einhielten (Kapitel 3-Luftfahrzeuge mit einer Lärmmarge unter 13 EPNdB).
Korrekturmassnahmen
Die Bilanz der Entwicklung der nach 23 Uhr erfolgten Starts sowie der Lärmmessungen ist ermutigend und zeigt die positiven Auswirkungen der neuen Abflugbeschränkungen nach 23 Uhr im Hinblick auf die Verringerung der Lärmbelastung während der Nacht. Dennoch muss noch viel getan werden, um die mit der Umsetzung des Erlasses zu Betriebsbeschränkungen zusammenhängenden Ziele im Bereich der Lärmreduktion zu erreichen. Insbesondere im Süden des Flughafens ist es erforderlich, eine deutliche Verbesserung zu erzielen, wie es heute bereits im Norden der Flughafenplattform der Fall ist.
Auf Initiative des Flughafens sowie der Aufsichtsbehörden haben die Luftfahrtunternehmen bereits seit 2023 Massnahmen getroffen, um ihre Flugplanung während der Abendstunden zu optimieren.
Um einen erneuten Anstieg der Flugbewegungen und somit des Lärms während der ersten Nachtstunde (22-23 Uhr) zu verhindern, hat der Flughafen seit Januar 2024 zusätzlich die zu entrichtenden Lärmabgaben für nach 22 Uhr durchgeführte Starts wesentlich erhöht. Die Erhöhung der Flughafengebühren, gepaart mit dem Risiko, sich den von der ACNUSA verhängten Bussgeldern für nicht gerechtfertigte Starts nach 23 Uhr auszusetzen, dürften eine abschreckende Wirkung haben.
Schliesslich enthält auch der neue Lärmvorsorgeplan (PPBE, Plan de Prévention du Bruit dans l’Environnement) für die Jahre 2024-2028 zusätzliche Massnahmen zur Lärmminderung. Hierzu zählen beispielsweise die Überprüfung und Überarbeitung der Startverfahren für die Piste 15, die Optimierung der Pistennutzung und das Engagement der Luftfahrtunternehmen im Rahmen eines Best Practice-Verhaltenscodex’.